Künstliche Verknappung? Exporte von teuren Arzneimitteln führen dazu, dass sie in Österreich tagelang nicht verfügbar sind – die OÖNachrichten gingen auf Spurensuche.
"Und was soll ich jetzt machen?" Diese Frage bekommt Apotheker Wolfgang Rizy regelmäßig zu hören. Er will kranken Menschen, die zu ihm in die Dreifaltigkeits-Apotheke nach Grieskirchen kommen, nicht mehr erklären müssen, dass ihr Medikament nicht sofort lieferbar ist.
Betroffen sind etwa ein bis zwei Prozent der Kunden, die rezeptpflichtige Medikamente brauchen, schätzen Apotheker – unter anderem Diabetiker, Epileptiker und krebskranke Menschen.
Eine Oberösterreicherin aus dem Bezirk Grieskirchen musste drei Tage ihre Krebstherapie unterbrechen. Der Grund: Ihre Medikamenten-Kombination aus Tafinlar und Mekinist, die pro Monat rund 10.000 Euro kostet, war nicht verfügbar, obwohl sie zahlreiche Apotheken abklapperte. Erst nach drei Tagen traf das Medikament ein.
Auch Jörg Mayrhofer von der Schutzengelapotheke in Linz sowie ein Apotheker aus Wels, der ungenannt bleiben will, kennen das Problem. "Die Engpässe sind nicht lebensbedrohend, mit viel Aufwand lässt sich immer noch etwas organisieren", sagt Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der österreichischen Apothekerkammer. Warum müssen kranke Menschen in Österreich aber oft Tage auf ihre Medikamente warten? Die OÖN gingen auf Spurensuche.
Im Ausland wird mehr bezahlt: "Theoretisch haben wir in Österreich Zugriff auf die modernsten Medikamente. Aber in der Praxis wird im Ausland oft mehr dafür bezahlt wird", sagt Thomas Veitschegger, Präsident der oberösterreichischen Apothekerkammer. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat in Verhandlungen mit der Pharmaindustrie die Preise für die Medikamente in Österreich vereinbart. Dass Österreich ein "Niedrigpreisland" sei, wie das Veitschegger sagt, will man dort nicht so stehen lassen. "Im Durchschnitt lagen die Preise in Österreich 2015 um 1,5 Prozent über dem EU-Mittelwert", heißt es im Hauptverband. Richtig sei aber, dass insbesondere Deutschland ein Hochpreisland für Medikamente sei.
Wer profitiert vom Export? Arzneien-Großhändler und vereinzelt auch Apotheker, sagt der Grieskirchner Wolfgang Rizy. "Einige meiner Kollegen kaufen vergleichsweise günstige Hochpreis-Medikamente und verkaufen sie mit bis zu 50 Prozent Aufschlag weiter nach Deutschland – dann gibt es in Österreich zu wenige Arzneimittel, und die Leidtragenden sind die Patienten", sagt Rizy.
Seine Kollegin Mursch-Edlmayr will niemandem böse Absichten unterstellen, schließlich sei "der Export von Medikamenten rechtlich okay. Aber ich habe ein ethisches Problem damit, wenn der Patient sein Medikament nicht bekommt".
Grundsätzlich ist der Export innerhalb der EU nicht verboten, denn es gilt der freie Warenverkehr. Allerdings ist im Arzneimittelgesetz geregelt, dass die Pharmahersteller, der Großhandel und die Apotheken eine kontinuierliche Belieferung sicherstellen müssen, damit der Bedarf der Patienten im Inland gedeckt ist.
Was sagen die Hersteller und Großhändler?
Sie schieben sich zum Teil gegenseitig die Verantwortung zu: "Der freie Warenverkehr kann zu Lieferengpässen führen, weil durch bessere Preise im Ausland ein Großhändler oder auch Apotheker eine höhere Marge erreichen kann", sagt Jan Oliver Huber, Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig).
Beim Verband der Arzneimittel-Vollgroßhändler (Phago) will man das so nicht stehen lassen. "Unsere Großhändler exportieren erst, wenn der österreichische Markt versorgt ist", sagt Phago-Generalsekretärin Monika Vögele.
Wie will man Lieferengpässe künftig vermeiden?
Das Gesundheitsministerium kennt das Problem: "Einen Export von Medikamenten sehen wir natürlich nicht gerne, aber solange er sich im Rahmen der Gesetze bewegt, ist er nicht zu verhindern", sagt Elke Nebenführ, Sprecherin von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FP).
Im Dezember hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) einen Runden Tisch über Arzneimittel-Versorgungsengpässe veranstaltet. Dabei wurde unter anderem mit Vertretern der Pharmahersteller, des Großhandels und der Apotheken über die Einführung einer gesetzlichen Meldepflicht für Medikamente diskutiert. "Das könnte die Häufigkeit von Verknappungen reduzieren helfen, diese aber nicht völlig verhindern. Die Problematik der Lieferengpässe wird auch in EU-Arbeitsgruppen diskutiert", sagt Nebenführ.
Wie geht es weiter?
Ein Zeitplan für die Umsetzung der Meldepflicht besteht noch nicht. Für die Apothekerkammer-Präsidentin, Mursch-Edlmayr, die selbst eine Apotheke in Sierning führt, wäre sie jedoch ein Schritt in die richtige Richtung: "Die Meldepflicht für nicht verfügbare Medikamente könnte zu mehr Transparenz und Information führen."
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